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[ELEKTROHIRN] Die Social-Media-Psychopathin

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Starrte man etwa Mitte der Neunzigerjahre voyeuristisch in das „Kinderzimmer“ einer sechzehnjährigen Landpomeranze, kamen einem regelrecht die fürchterlichen Fratzen auf ihren Postern entgegen. Die teilbeschädigten Mitglieder qualitativ fragwürdiger Boybands, das zarte Antlitz verschiedener Sportler, die schon damals der lebendige Beweis dafür waren, dass der Neandertaler eben NICHT vollständig unterging, sowie maßlos überbewertete Darsteller aus unterwältigend kulturfeindlichen Seifenopern. Jeder Mensch, der noch über einen Rest an Würde verfügte, lehnte dieses Gruselkabinett kategorisch ab und hoffte darauf, dass das Töchterchen bestimmt „irgendwann rauswächst“. Etwa so, wie aus Babyklamotten mit ärgerlichen Aufschriften wie „Sunshine Smile Baby“.


Ganz recht. Sie taten es nicht. Statt aus dem wahrgewordenen Alptraum zu erwachen, setzten sie die Götzenverehrung von milchgesichtigen Tölpeln fort und übertrugen diese Charakteristika dann ab ihrem 20. Lebensjahr auf ihr Männerbild. Daraus entstanden dann Klassiker wie „eigentlich ist er ganz lieb, er hat das auch erst zwei Mal gemacht.“ Die ehemaligen jungen Menschen aus den Siebzigern und Achtzigern mussten ganz schön Klötze gestaunt haben, dass die Oberflächlichkeit der Neunziger sie selbst noch um Lichtjahre übertroffen hatte. Doch es sollte noch viel grässlicher werden. Niemand konnte ahnen, welch dunkle Woge der Beschissenheit auf die unschuldige  Zivilgesellschaft zurollte.


So Leid es mir auch tut, genau davon spreche ich. Die Hingabe zu den Boybands blieb, wurde jedoch langsam aber sicher davon begleitet, dass man sich weiterentwickeln wollte. Die Poster an der Wand reichten bei Weitem nicht mehr aus. Nein, man musste SELBST ZUM POSTER WERDEN. UM JEDEN PREIS. Doch die Mathematik der Menschenmasse diktiert nun einmal, dass nicht alle Stars sein können. Sonst wäre man ja kein Star mehr. Glücklicherweise gibt es da ein hervorragendes Filtersystem, das uns lange Zeit davor beschützt hat, dass jede Bauernmagd ein Sternchen werden kann – oder wie es der alte Nietzsche sagte:

Durch das flächendeckende Internet wurde diesem so sinnvollen Grundsatz aber schnurstracks ein Riegel vorgeschoben. Und mit ihm kamen abertausende von „Ministern ohne Aufgabenbereich“. Personen, die ein STAR sind, obwohl sie überhaupt nichts tun. Und genau diese haben die alte Kultur der Boyband-Poster nicht nur endgültig abgelöst, sie haben sie quasi VERNICHTET. „Fans sind immer nur die anderen, ICH hingegen bin ein VIP.“ Diese Regel führte dazu, dass die Straßen der Industrienationen mit einer Zombierasse gefüllt wurden, die quasi nur im Internet existieren. Nun gut, sie verfügen vielleicht über einen Körper, der wird allerdings nur für rudimentäre Bedürfnisse verwendet, z.B. Essen oder Atmen. So wurden blutleere Soziopaten geschaffen, die bereits in einer Gruppe von drei Leuten „schüchtern“ werden, das Maul nicht aufkriegen, auf nichts wirklich Lust haben, permanent schweigen oder auf Partys stundenlang still am gleichen Fleck sitzen.


OH JA. Dann GEHT DAS LEBEN ERST RICHTIG LOS. Dann wird geliked, geshared, kommentiert, geherzt, gepostet und GEHAULED. Ich habe es bis jetzt vermeiden können, den unheiligen Namen dieser fanatischen Religion zu nennen. Doch jetzt führt kein Weg mehr daran vorbei. Es sind die


Und sie kennen kein Erbarmen. Alles, was kein FASHION-, FOOD-, BEAUTY- oder „TUTORIAL“-VLOG ist, muss hinweggerafft werden. Ist man wahlweise zu hässlich oder zu uncool für die genannten Themenbereiche, wird die Wahl eng. Es gibt aber Alternativen! „LET’S PLAY“-Videos, schlechte Parodien und … ja. Die allerschlimmsten Ableger sind eigentlich nicht in Worte zu fassen.

Es sind zumeist Männer zwischen 16 und 26, die mit fürchterlichen Effekten und Schnittgewittern in eine Kamera glotzen und irgendetwas kommentieren, das sie im Netz gefunden haben. Jetzt zu behaupten, dass sie praktische „ÜBERHAUPT NICHTS“ tun, würde zwar der Wahrheit am nächsten kommen, jedoch in einem Shitstorm enden.

Denn die gleichen Leuchten, die längst vergessen haben, was Literatur, Malerei, Film, Musik und kreatives Schaffen früher einmal waren, finden auch an jedem Kriegsverbrecher am schlimmsten, dass er keinen Videoblog über Schminkkästen besitzt. Es ist im Endeffekt wie mit zwei sich gegenüberstehenden Spiegeln. Man wechselt die Dimensionen bis ins Unendliche.

Zuerst spielten wir draußen. Dann an der Konsole. Dann beobachteten wir jemanden, der spielt. Die nächste Stufe wäre dann ein Kommentator, der jemanden kommentiert, welcher etwas spielt. Aber man soll ja mit der Zeit gehen, oder? Dann ergänzen wir zukünftig einfach in unsere Bewerbungen, wie viele LIKES unser Videoblog über das Kommentieren von Schminktutorialstars hat, die ihrerseits wiederum den Kleidungsstil von LET-PLAY-MENSCHEN bewerten.

Wird man aber selbst nicht zum Rad, gerät man früher oder später unter die Räder. Also eröffne ich bald meinen Videoblog über die mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten von

!!! TAUBENKOT !!! (oder einen Kommentarkanal zu „let’s kot“-Videos)

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1 Kommentar:

  1. "Sunshine Smile 80er-Baujahr", erschaffen im 79er Zeitalter der X-Generation!
    -> ach so: der sagt "JA-Wohl, genau so ist es und wahr es und wird es hoffentlich nicht für immer und ewig bleiben"

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