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[KARNEVAL I] Sollen wir sie reinlassen?

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Ja? Sollen wir? Diese Frage kann sich das Rentnerehepaar jedes Jahr aufs Neue stellen, wenn ein schwerst-alkoholbetriebener Faschingsspaßmacher brechend im Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses vor sich hin-verendet. Er fragt auch jedes verdammte Jahr danach, bei ihnen aufs Klo gehen zu dürfen. Und JEDES JAHR SAGEN SIE NEIN! Solche Faschos, das geht ja auf keine Chamäleonhaut! 
 
Wo soll der arme Mann denn dann die 14,3 Liter Franzbranntwein recyceln, die er vor seiner Frau in der Vorfaschingszeit verstecken musste? Hier wird ERNSTHAFTE und ECHTE NOT ekelhaft fahrlässig ignoriert, „bei sowas könnte ich so wütend werden, denkt doch mal jemand an die Kinder!“

Aber egal ob so oder so: Irgendwie wird der blasenschwache Captain America es SCHON HINKRIEGEN, seine Route zum nächsten überfüllten Bierschuppen wieder aufzunehmen, denn sonst hat er keinen Spaß. UND SPAß IST BEIM KARNEVAL VERPFLICHTENDES GESETZ, Sie Freizeit-Troglodyt!

Der Spaß fängt allerdings meistens schon dann an, wenn die UNBESCHOLTENE FREUNDIN dem armen Mann vorschreibt, was er an DIESEN LUSTIGEN TAGEN zu tun hat.



Ach komm jetzt, ernsthaft? Stell dich nicht so an. Eine der wenigen Gelegenheiten des Jahres, bei denen der Partner TATSÄCHLICH keine filmreife Geschichte erzählen muss, WARUM er jetzt bis zur Öffnung seines dritten Auges bechern muss sollte doch MINIMALES PRIVILEG sein, oder nicht? Das mit dem Verkleiden ist ja im Prinzip auch nur eine Verpackung des Inhaltes, der das ganze Jahr betrieben wird. Nur in diesem Fall eben MIT GRUND.



Wenn der KLEINE dann brüllt, weil er Prunksitzungen in etwa so interessant findet wie ein katholischer Pfarrer die Homo-Ehe, kommen die 14,3 Liter Franzbranntwein in Form von anregender Prosa wieder zum Einsatz, um die VERNUNFT eines ECHTEN MANNSIBLDES zu zeigen: „Lass das Kind stecken Schatz, ich bring den Autoschlüssel nach Fuß zu Hause.“

Das ist ja schließlich ein weiterer ungestümer Vorteil des Faschingstreibens. Die ÖFFENTLICHE SCHAM hat zur NÄRRISCHEN ZEIT etwa so viele Sitze im Bewusstsein der Gesellschaft, wie die FDP im Bundestag. Darum kann man als ANGESEHENER JURIST auch getrost halbnackt als ALG II-Batman in Unterhosen und Fledermausmaske an ein öffentliches Gebäude kübeln, in dem man eine Woche später einen Finanzschurken vor dem bösen Staat retten. JUSTICE PREVAILS!



Besonders gut sind auch die Kostüme, die von Moralaposteln getragen werden. Da ihre Prinzipien beim FASCHING plötzlich nur noch so wichtig wie korrekte Mülltrennung sind, kommen insbesondere bei den Verkleidungen der Kinder HIN und WIEDER „interessante“ Ergebnisse ans Tageslicht. „Unser kleiner NASEWEISS ist ja SO Süß in seinem Outfit, er wollte schon IMMER mal (PLATZHALTER) sein.“

Tja, der Platzhalter. Da findet sich dann oftmals etwas wieder, was sonst einen AUFSCHREI auslösen würden, beim MEGAKARNEVAL aber egaler als Solarwind ist: Ersetzen Sie den Platzhalter durch „Neger“, „Sultan“, „Chinese“, „Bettler“, „Gespenst/Ku-Klux-Member“ oder „Jesus“.
Letzteres gibt den anwesenden Geistlichen nach dem zwölften Bier einen besonderen Kick, weil es ja DOCH irgendwie herzig ist, das Heidentum!



Außerdem sind die blöden GEISTER ja AUCH nicht politisch korrekt. Und der Sinn des Karnevals ist es ja, das gemeine Pack zu vertreiben. Da kann man auch mal zum Sultan oder zum Chinesen greifen. ODER ETWA NICHT? Einzig zu beantworten bleibt die Frage der Fragen, die mir bisher noch kein echter Ur-Karnevalist beantworten konnte. Wenn man sich als Taube verkleiden würde, produziert man dann auch

??? TAUBENKOT ???

5 Kommentare:

  1. Das hat mir besonders gefallen:
    "Verkleiden ist ja im Prinzip auch nur eine Verpackung des Inhaltes, der das ganze Jahr betrieben wird. Nur in diesem Fall eben MIT GRUND."
    Habe ich heute beim Morgengassi mit den Hunde einer älteren Hundehalterin auch auf die Nase gebunden. Also als das Thema aufkam, ich solle nicht so sehr feiern, sagte ich nur: "Ich bin jetzt schon maskiert als Hundehalter. Was soll ich feiern? Die Erkenntnis, dass ich jedesmal mit Maskerade in die Welt gehe, wenn ich die Behausung verlasse?"
    Man wird älter, die Erkenntnis bleibt aber im besten Fall die Gleiche.

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  2. Mir gefiel direkt der Shifty Guy und der Delfin! (generell das gesamte Design ;) )
    Dein Artikel hat ein paar echt amüsante Stellen ^^ - „Lass das Kind stecken Schatz, ich bring den Autoschlüssel nach Fuß zu Hause.“
    Darum bin ich ehrlich gesagt kein Freund von solchen Sauffesten (Oktober-Fest, Karneval und sonstwo).

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  3. Vielen Dank, liebe Leute!
    @Alexander: Ganz genau. Und daran ändert sich auch dann nichts, wenn GUT GEMEINTER RAT von Rentnern kommt. Mit Sicherheit sogar!
    @ToastKunst: Und da liegt der Braunbär begraben. Verantwortungsvolles Saufen GIBT ES. Man müsste es nur mal SO umsetzen, dass WIRKLICH keiner dabei zu Schaden kommt. Egal ob es sich um einen selbst handelt oder die Dritten, die in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn die EIGENE LEBER ist schließlich PRIVATSACHE. Weiter so!

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  4. Sehr gelungener Artikel!
    Du bringst es wirklich auf den Punkt: grundloses Besaufen geht nicht, aber Besaufen mit Grund ist voll ok, weil "ist ja Karneval".
    Hat sehr viel Spaß gemacht, das zu lesen!

    Liebe Grüße
    Lara

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